Ein richtiger Schritt in die falsche Richtung – Ein Kommentar zur Grundrente von Tim King

Ein Kommentar zur Grundrente von Tim King

Ein richtiger Schritt in die falsche Richtung: warum die Grundrente weder gerecht noch solidarisch ist

Die Grundrente: Rettungsanker der großen Koalition, der Kitt, der die bröselnde SPD zusammenhalten soll. Das Projekt, mit der vor allem letztere einmal mehr beweisen will, dass sie nicht nur die Partei von Hartz IV, die Partei des Niedriglohnsektors, der Aufstocker und der Sanktionen ist, sondern eine Partei, die sich um die vermeintlich „kleinen Leute“ kümmert.

Und es stimmt ja auch, mit der nun angekündigten Grundrente werden Menschen bessergestellt, die das verdient haben, die jahrzehntelang vernachlässigt wurden und deren Arbeit, oft Care-Arbeit, weder gewürdigt noch angemessen bezahlt wurde. Gerade Frauen mit längeren Zeiten der Kindererziehung, der Teilzeitarbeit, erhalten durch die Grundrente zumindest eine kleine Chance, aus der Rentenfalle zu entkommen und im Alter über ein wenig mehr verfügen zu könne als bisher. Dagegen kann man nichts haben, es sei denn, man ist FDP-Mitglied oder Vorsitzender der Jungen Union. Die Grundrente ist also ein zwar kleiner Schritt, aber immerhin ein richtiger Schritt.

Ein richtiger Schritt, aber in die falsche Richtung.

Ein richtiger Schritt, der allerdings in eine völlig falsche Richtung geht, ein Schritt der nicht nur die Kluft zwischen denen vergrößert, die schon haben und denen, die leer ausgegangen sind, sondern vor allem den Solidargedanken im Grunde auf den Kopf stellt.

Denn so, wie die Grundrente verwirklicht werden soll, liegt den Plänen ein Gedanke zugrunde, mit denen sich Christian Lindner durchaus anfreunden können sollte, oder, wenn man weiter zurück gehen möchte, Johannes Calvin mit seiner Erwerbsethik. Dies spiegelt sich auch in der begleitenden Rhetorik wider, in der „Lebensleistungsrente“, der „Respektsrente“, all dies nur die Kehrseite von Münteferings „Nur wer arbeitet, soll auch essen“,

Bessergestellt wird, wer über 35 Jahre gearbeitet und eingezahlt hat. Die in dieser Zeit erworbenen „Entgeltpunkte“ (ein Entgeltpunkt auf dem Rentenkonto erwirbt, wer genau den Durchschnittsverdienst/Jahr erzielt) werden, wenn es weniger als 0,8/Jahr sind, verdoppelt, allerdings auch nur bis zu diesem Wert von 0,8 und wenn die Einkommensgrenzen nicht überschritten werden.

Calvinistische Arbeitsethik.

Was erst einmal gut klingt, heißt in der Praxis, dass die Arbeit, die „Leistung“ desjenigen, der die 35 Jahre erfüllt, in der Rentenversicherung plötzlich doppelt so viel wert ist wie die desjenigen, der oder die es nicht auf diese 35 Beitragsjahre bringt. Egal warum, sei es längere Arbeitslosigkeit, sei es Krankheit, sei es Erwerbsunfähigkeit, die Aufwertung der Beitragszeiten der einen bedingen eine Abwertung der Beitragszeiten der anderen. Diese anderen aber sind genau die, die der Solidarität oft bedürfen, eben weil sie nicht in der Lage waren, eine durchgängige Erwerbsbiographie aufzubauen.

Was hier tatsächlich passiert ist, dass „Solidarität“ nicht mehr mit denen geübt wird, die am bedürftigsten sind, sondern daran ausgerichtet, was jemand „geleistet“ hat. Dabei wird geflissentlich ausgeblendet, warum dieser Personenkreis überhaupt bedürftig bleibt: weil Care-Arbeit nicht bezahlt wird, weil es einen Niedriglohnsektor gibt, der kein Einkommen gewährt, das zum Leben reicht, weil Frauen nach wie vor in die Teilzeit gedrängt werden.

Solidarisch ist die GroKo nur mit sich selbst.

Solidarität üben die Parteien der großen Koalition hier nicht mit den Bedürftigen, mit den Schwachen, Solidarität üben sie hier nur mit sich selbst, indem sie die gröbsten Folgen der von ihnen zu verantwortenden asozialen und ungerechten Politik abzufedern versuchen. Und dabei nur das Narrativ von der „Leistung“, die sich lohnen müsse, weitererzählen.

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