Rentabilität der Fleischproduktion statt Tierwohl!

Rentabilität der Fleischproduktion statt Tierwohl!

Stellungnahme von Heiner Putzier, Themensprecher für Landwirtschaft und Ernährung, zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung.

Der Bundesrat hat am 3.7.2020 u.a. einer Neuregelung der Haltungsbedingungen für Schweine zugestimmt. NRW und Schleswig-Holstein haben im Bundesrat einen Kompromissvorschlag zum Gesetzesentwurf von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner vom November 2019 vorgelegt. Hier eine Zusammenfassung des Kompromissvorschlags:

Das „Aus für Kastenstand“ kommt spätestens nach acht Jahren (Im Klöckner Entwurf stand eine Übergangsfrist von 15 Jahren). Spätestens nach einer Übergangsfrist von 8 Jahren dürfen Sauen im Deckzentrum nicht mehr im so genannten Kastenstand gehalten werden, sondern nur noch in der Gruppe. Eine Fixierung ist dann lediglich kurzzeitig möglich – zum Beispiel für die künstliche Besamung oder ärztliche Untersuchungen.

Das ungehinderte Ausstrecken in Seitenlage muss schon während der Übergangszeit möglich sein. Die Kastenstände müssen so gestaltet sein, dass die Sauen in Seitenlage ihre Gliedmaßen ausstrecken können.

Für jede Sau muss es ausreichend Platz und Rückzugsmöglichkeit von 5 qm für die Zeit nach Absetzen der Ferkel bis zur nächsten Besamung geben.

Ein größerer Liegebereich für Ferkel und mehr Platz im Abferkelbereich werden Pflicht. Die Kastenstandhaltung im Ferkelschutzkorb ist künftig höchstens 5 statt bisher 35 Tage zulässig. Die Abferkelbuchten müssen mindestens 6,5 Quadratmeter groß sein.

Die Betriebe haben 15 Jahre Zeit, um sich auf die neuen Anforderungen im Abferkelbereich einzustellen, Umstellungskonzepte zu entwickeln und die finanziellen Voraussetzungen für die aufwändigen Umbauten zu schaffen.

Die beschlossenen Reformen werden von der Landwirtschaft Investitionen von über einer Milliarde Euro erfordern. Diese werden auch durch höhere Erzeugerpreise finanziert werden müssen. Daher bittet der Bundesrat die Bundesregierung, den notwendigen Umbau der Schweineställe durch vereinfachte bau- und immissionsschutzrechtliche Genehmigungen, Investitionshilfen und eine Informationsoffensive bei den Verbrauchern zu begleiten.

Bei der 992. Sitzung des Bundesrates am 3.7. 2020 haben die Sprecher*innen aller beteiligter Parteien den erzielten Kompromiss als Meilenstein in der Tierhaltung gefeiert.

Wir können dem nicht zustimmen.

Ausgehend vom aktuellen Stand ist der Kompromissvorschlag natürlich eine Verbesserung, aber eine Übergangsfrist von 8 Jahren bei der Kastenstandhaltung und 15 Jahren für die Änderungen im Abferkelbereich bedeutet eine weitere sehr lange Zeit quälenden Tierleids und ist nicht akzeptabel.

Planungssicherheit und Rechtssicherheit für die Landwirte werden als wichtige Kriterien genannt, ebenso ein Betrag von 1 Milliarde Euro als Investitionsbetrag für die Landwirtschaft, um die baulichen Maßnahmen umzusetzen. Warum wird der Betrag von 1 Milliarde Euro der Landwirtschaft nicht zur Verfügung gestellt, um endlich die entsprechenden Maßnahmen in den Massentierhaltungen in kürzest möglicher Zeit zu ändern?

Die Corona-Krise zeigt, dass schnelles und konsequentes politisches Handeln möglich wäre – wenn man denn will und vorausgesetzt man nimmt die Forderung nach mehr Tierwohl wirklich ernst. Die aktuelle Entscheidung im Bundesrat zeigt stattdessen den immensen Einfluss einer landwirtschaftlichen Industrielobby, die der Wirtschaftlichkeit der Fleischproduktion oberste Priorität einräumt.

Die Partei mut steht für ein Umdenken, wie wir heute leben und arbeiten. Das gilt auch für die Landwirtschaft. Der Bundesratsbeschluss vom 3.7.2020 zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung ist aus unserer Sicht ein halbherziger Schritt, der wenig dazu beiträgt Mensch, Tier und Umwelt zu achten.

Ein bedeutend kürzerer Umsetzungszeitraum ist möglich und weitere grundsätzliche Maßnahmen bei der Tierhaltung müssen im Sinne von Tierwohl, Klimaschutz und Gesundheit beschlossen werden, um den Fokus in Deutschland und global weg von der Fleischerzeugung hin zur Erzeugung von pflanzlichen Nahrungsmitteln möglichst auf regionaler Ebene zu bringen. Aber dazu fehlt es an Mut bei den im Bundestag und Bundesrat vertretenen Parteien, sich den Interessen des nahrungsindustriellen Komplexes entgegen zu stellen.


 

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