Stellungnahme des mut Forums Landwirtschaft zur drohenden Knappheit und Verteuerung von Grundnahrungsmitteln aufgrund des Kriegs in der Ukraine
Die Fabel synthetischer Pestizide als Retter der Welternährung wird fortgeschrieben
Die Ukraine ist ein wichtiger Produzent für weltweit bedeutende Grundnahrungsmittel. Ihr Weltmarktanteile bei Weizen, Mais, Raps und Gerste liegt zwischen 11 und 20 %. Da Putins Regime im Krieg gegen die Ukraine offensichtlich auch die landwirtschaftlichen Strukturen des Landes gezielt attackiert, wird ein signifikanter Anteil dieses Getreides auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung stehen. Die Auswirkungen auf europäische Länder scheinen sich auf verkraftbare Preissteigerungen zu begrenzen. Andere Länder im Nahen und Mittleren Osten sowie afrikanische Staaten wie beispielsweise Eritrea, Äthiopien oder Kenia wird die Knappheit und Verteuerung von Getreide deutlich härter treffen, da die Menschen in diesen Ländern die drastisch steigenden Lebensmittelpreise gar nicht bezahlen können. Gehört es zu Putins zynischem Plan auch Länder des globalen Südens zu destabilisieren und durch Hunger und Verzweiflung weitere Flüchtlingsströme auszulösen?
Aussetzung des EU-Programms „Vom Hof auf den Tisch“
Hier ist die Weltgemeinschaft und sehr konkret die Europäische Union gefordert, schnell und konkret zu helfen. Die EU-Kommission hat auf diese sich anbahnende Krise bereits reagiert und will deshalb Projekte zum Umweltschutz in der Landwirtschaft stoppen. Konkret geht es dabei um die Aussetzung des Programms „Vom Hof auf den Tisch (Farm to fork)“, durch das u.a. der Einsatz synthetischer Pestizide bis 2030 halbiert werden soll.*
Hier ist eine Parallele zum Energie-Entlastungspaket der Bundesregierung zu erkennen, in dem mit der „Gießkanne“ u.a. lieber Spritpreise durch Senkung der Energiesteuer subventioniert werden, anstatt mit einfachen Maßnahmen, wie dem längst überfälligen Tempolimit oder autofreien Tagen, den Spritverbrauch schnell und signifikant zu senken, um damit Druck vom Markt zu nehmen und auch Putins Kriegsmaschinerie auszutrocknen. Ganz nebenbei geht es schließlich auch noch ums Klima.
Die Aussetzung des ohnehin schon mäßig ambitionierten EU-Programms „Vom Hof auf den Tisch“ wiederbelebt die Fabel der Pestizidhersteller, dass ihre Ackergifte die Welternährung sichern. In Wirklichkeit geht es dabei viel mehr um riesige Profite und weltweite Abhängigkeiten. Die schnelle Umsetzung von Pestizidverbotenen zum Schutz von bedrohter Artenvielfalt und für die Wiedererlangung gesunder, lebendiger und fruchtbarer Böden ist unerlässlich (siehe auch unsere Petition: https://www.change.org/p/aldi-lidl-edeka-rewe-rettet-unseren-boden).
Bessere Ansatzpunkte zur Sicherung der weltweiten Ernährung
Für die Sicherung der weltweiten Ernährung gäbe es gerade in der EU sehr einfache und praktikable Ansätze, beispielsweise die Aussetzung der Förderung von Agrokraftstoffen wie Bioethanol oder den Hebel gerade beim viel zu hohen Fleischverzehr in Deutschland und anderen EU-Ländern anzusetzen, denn bis zu 60% des in Europa produzierten Getreides werden derzeit für die Tiermast verwendet. Der Gedanke, dass Getreidepreise durch Spekulation weiter nach oben getrieben und damit viel Geld verdient wird, ist unerträglich. Deshalb wäre spätestens in dieser Krisensituation der politische Diskurs über ein Preismoratorium für Getreide und Grundnahrungsmittel überfällig.
Der Krieg in der Ukraine muss aufhören. Er verursacht unendliches Leid und fordert unser aller Solidarität und Anstrengung. Von unseren politischen Entscheidungsträgern müssen wir wohl überlegte Entscheidungen mit Perspektiven einfordern. Politische Maßnahmen, die nur auf uns gerichtet sind, uns kurzfristig Normalität vorgaukeln und ein weiter wie bisher erlauben sind dabei grundverkehrt.
Photo by Polina Rytova on Unsplash
*https://taz.de/EU-stoppt-Plan-fuer-Pestizidreduktion/!5840315&s=EU+Farm+to+fork/