Energie demokratisieren, Abhängigkeiten verringern, Mobilität und Energieversorgung sozial gerecht gestalten.

Statement des mut-Forums Klima zum Entlastungspaket II der Bundesregierung

Erneuerbare Energien statt der nächsten toxischen Abhängigkeit

Neben der humanitären Katastrophe, die der Ukraine-Krieg bedeutet, führt uns die aktuelle Situation auch auf schreckliche Art und Weise die Abhängigkeit von Öl und Gaskonzernen, autoritären Regierungen und deren fossilen Energieträgern vor Augen.

Russland ist über seine Öl- und Gaslieferungen tief in die grundlegende Infrastruktur Europas und insbesondere Deutschlands integriert. In der jetzigen Kriegssituation zeigt sich, dass dadurch auch die außenpolitische Handlungsfähigkeit eingeschränkt wird. Es ist zu befürchten, dass Gaslieferungen ausbleiben und tausende Haushalte im Winter ohne Wärmeversorgung bleiben. Es herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass kurzfristig andere Gas- und Öllieferant*innen benötigt werden, wodurch die Bundesrepublik sich in das nächste toxische Abhängigkeitsverhältnis (Beispiel Katar) begibt. Auch wenn sich das als kurzfristig notwendig erweist, so dürfen die Mobilitäts- und Energiewende nicht ins Abseits geraten. Erneuerbare Energien stellen ein Mittel dar, sich aus diesem Abhängigkeitsverhältnis zu emanzipieren und die Energieversorgung krisenfest, demokratisch und klimaneutral zu gestalten.
Das Klima steht längst am Rande seiner Belastungsfähigkeit. Das Entlastungspaket II der Bundesregierung enthält mit der Förderung der ÖPNV-Nutzung gut gemeinte aber kaum nachhaltig wirkende Ansätze, die die Verkehrs- und Energiewende vorantreiben könnten, während eine Steuersenkung auf Kraftstoffe unspezifisch auch wohlhabendere Vielfahrer*innen begünstigt und damit kontraproduktiv ist. Die enormen Kosten des Pakets werden insgesamt durch seine fragwürdige Lenkungswirkung nicht gerechtfertigt. Wir müssen viel mehr die Forderung nach einer dauerhaften Umsetzung von günstigem ÖPNV laut machen. Der gesetzte Impuls muss von sozial-, energie- und mobilitätspolitische Maßnahmen begleitet werden, um nicht zu verpuffen.

Tankzuschuss verfestigt Abhängigkeit und hilft wirtschaftlich besser Gestellten

Anstatt in der derzeitigen Situation der hohen Preise für fossile Produkte mit sozialpolitischen Antworten entgegenzutreten, findet ein Tankrabatt – wenn auch unter anderem Namen – Einzug in ein Maßnahmenpaket, der die häufig ohnehin schon wohlhabenden Autofahrer*innen in ihren klimaschädlichen Gewohnheiten unterstützt, während rund die Hälfte der Menschen der unteren Einkommensschichten gar kein Auto besitzen. Die Reduzierung der Steuer auf Kraftstoffe subventioniert große Luxuswägen stärker als spritsparende Modelle und Vielfahrer*innen stärker als Menschen, die wann immer möglich ohne Auto mobil sind. Sie verlangsamt die Mobilitätswende noch zusätzlich und zementiert damit die Abhängigkeit vom Öl weiter. Weder der deutsche Automobilismus noch die fossile Energiewirtschaft dürfen durch weitere Förderungen unterstützt werden.

Ganz klar treffen die hohen Sprit- und Energiekosten auch Arbeitnehmer*innen im ländlichen Raum mit seinem desolaten öffentlichen Nahverkehr oder die großstädtischen „Working Poor“, für die eine Nebenkostensteigerung eine große Herausforderung bedeutet. Den von Armut betroffenen Menschen, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung durch die Coronakrise ein Rekordhoch erreicht hat (siehe auch https://www.mut-bayern.de/2022/02/03/ein-kommentar-zur-aktuell-erschienenen-oxfam-studie-gewaltige-ungleichheit-und-zur-wahl-der-bundespraesidentin-von-joerg-linke-und-arno-pfaffenberger/) über populistische Appelle abzuverlangen, an den Heizkosten zu sparen, lehnen wir ab.

Dass die beschlossene Auszahlung von Energiepreispauschalen versteuert werden muss und somit untere Einkommen stärker davon profitieren als höhere, ist dem Ansatz nach schlüssig. Allerdings profitieren Rentner*innen und die vielen nicht sozialversicherungspflichtig oder selbständig arbeitenden Menschen (etwa Bezieher*innen von Arbeitslosengeld oder Stipendien) nicht von der Energiepreispauschale. Eine Vergünstigung der ÖPNV-Tickets ist der richtige Ansatz. Autofahrer*innen befinden sich häufig in einer Fixkostenfalle aus KFZ-Steuern, Ratenzahlungen und Versicherungsbeiträgen, die unabhängig von der Nutzung der Fahrzeuge regelmäßig gezahlt werden müssen. Eine Entscheidung für eine öffentliche Mobilitätsform ist in dieser Position nur ökonomisch, wenn sich diese als sehr viel günstiger erweist, als es derzeit der Fall ist. Die drei Monate mit den günstigen Tickets müssen jetzt für einen Diskurs über die Zukunft des ÖPNV genutzt werden und dafür, dass möglichst viele Personen Lust bekommen, Bahnen und Busse zu nutzen. Um jedoch eine wahre Mobilitäts- und Energiewende anzustoßen, müssen die ÖPNV-Vergünstigungen auch begleitet werden von einem sofortigen Tempolimit auf bundesdeutschen Straßen und der Einführung eines regelmäßigen autofreien Sonntags. Diese Maßnahmen sind schnell und unbürokratisch umsetzbar.

Transformation: Gute Klimapolitik ist gute Sozialpolitik

Insgesamt verteilt das Maßnahmenpaket Geldgeschenke unter anderem an Wohlhabende, ohne aber damit nachhaltig im Sinne von Klimagerechtigkeit und sozialer Gerechtigkeit zu sein und die dringend erforderliche Mobilitäts- und Energiewende voranzutreiben.

Genau dafür aber müssen wir uns mit lauter Stimme einsetzen: Sozialpolitik und Klimapolitik müssen zusammen gedacht werden, denn Klimagerechtigkeit geht nur mit sozialer Gerechtigkeit. Eine dezentrale, kleingliedrige Energieversorgung aus Sonne und Wind ist demokratisch und – wenn wir dafür kämpfen – sozial gerecht: Sie befindet sich in der Hand von vielen anstatt von wenigen, Genoss*innenschaften anstatt der großen Konzerne des fossilen Kapitalismus.

Wir befinden uns mit der aktuellen Krise an einem Scheideweg, an dem wir uns zwischen zwei Pfaden entscheiden müssen: Dem verkehrs- und energiepolitischem Stillstand auf der einen und dem der weitreichenden, zügigen Transformationen hin zu einer Gesellschaft, die mit den Pariser Klimazielen vereinbar ist, auf der anderen Seite.

Höherer Mindestlohn und Ausbau des Öffentlichen Nahverkehr

Statt einer Reduzierung der Kraftstoffsteuer schlagen wir zunächst eine kräftige Anhebung des Mindestlohns und der Transferleistungen unter Berücksichtigung der Inflation vor. Wenn von der Energiewirtschaft willkürlich erhöhte Profite nicht von den Kartellbehörden verhindert werden können und gleichzeitig für die weniger Wohlhabenden unter uns zur existenziellen finanziellen Bedrohung werden, muss die Antwort aus einer Kombination sozial- und verkehrspolitischer Maßnahmen bestehen.

Für den Weg zu einer demokratischen, souveränen und klimagerechten Gesellschaft fordern wir unter anderem:

Sozialpolitik

  • Mindestlohns, Transfer- und Sozialleistungen unter Berücksichtigung der Inflation anheben.
  • Steuerlast fairer verteilen.

Mobilität

  • Sofort: regelmäßige autofreie Sonntage.
  • Sofort: Tempolimit 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und 30 km/h innerorts.
  • Pendler*innenpauschalen setzen falsche Anreize und können nicht die Folgen schlechter sozialpolitischer Politik ausgleichen.
  • Wegstrecken vermeiden: Remote-Office als Pflicht für Arbeitgeber*innen, ihren Angestellten in geeignetem Umfang Heimarbeit zu erlauben.
  • Städte und Regionen nachhaltig gestalten: Keine funktionelle Differenzierung in Industrie- und Wohngebiete. Stattdessen Mischgebiete mit kurzen Wegen städtebaulich bevorzugen und ÖPNV-Nutzung unterstützen.
  • ÖPNV- und Bahnpreise dauerhaft senken und Netze qualitativ und quantitativ ausbauen.
  • Kostenlose ÖPNV-Nutzung erproben und autofreies Leben denkbar machen.
  • Bahnstrecken reaktivieren und Bahnhöfe attraktiver gestalten.

Energie

  • Sofort: 10-H-Regel streichen.
  • Schneller und massiver Ausbau von Photovoltaik und Windkraft.
  • Dezentrale Energie auch für Mieter*innen: Guerilla-Photovoltaik-Anlagen durch unkomplizierte Bezuschussung bei der Anschaffung fördern. Rechtssicherheit für Balkon-Solaranlagen durch vereinfachtes Zulassungsverfahren erhöhen.
  • Mieter*innenstrom (Direktstrom) vereinfachen: Zulassungsverfahren vereinfachen.
  • Kleine und große Photovoltaik-Anlagen entbürokratisieren und ihre Zulassung vereinfachen.
  • Keine neuen Öl- und Gasheizungen: Förderungen für Solarthermie, Wärmepumpen und Nah- und Fernwärme priorisieren und ausbauen.

Es liegt auf der Hand: Gute Klimapolitik und geopolitischer Handlungsspielraum durch karbonfreie, regionale Energieerzeugung sind bestens vereinbar. Einsparungen bei unserer Mobilität, gerade dort, wo es unsere Lebensqualität nicht einschränkt, sondern vielmehr neue, lebenswerte Perspektiven bietet hat eine gesellschaftliche Mehrheit längst begriffen. Alle dabei mitzunehmen und die Lasten fair und sozial gerecht zu verteilen sind dabei keine radikale Forderung, sondern nur solidarisch, menschlich und logisch. Lasst es uns also endlich konsequent anpacken!


Informiert bleiben!

Du möchtest unseren Newsletter abonnieren? Trage dich hier ein und wir halten dich über Aktuelles und neue Termine rund um die Partei mut auf dem Laufenden.

Folge uns

mut-ige Themen

mut in der Presse

mut regional