Das Grundrecht auf Wohnen – gilt in Deutschland leider nicht für alle

Das Grundrecht auf Wohnen – gilt in Deutschland leider nicht für alle

Ein Beitrag des mut Forums Wohnen zur Wohnungslosigkeit

Im Juli 2022 wurde erstmalig eine bundesweite Wohnungslosenstatistik veröffentlicht. Aus dieser ging hervor, dass zum Stichtag Ende Januar 2022 ca. 178.000 wohnungslose Menschen in Deutschland in Notunterkünften untergebracht waren (1). Darüber hinaus spricht eine weitere Studie vom Bundesamt für Arbeit und Soziales von weiteren ca. 40.000 Menschen, die ohne Obdach auf der Straße leben und noch einmal ca. 50.000 „verdeckt Wohnungslose“, also Menschen, die bei Freund*innen oder Bekannten vorübergehenden Unterschlupf gefunden haben (2). Das Problem der Wohnungslosigkeit hat sich bereits während der Coronapandemie bis zum Zeitpunkt der Erhebung der Zahlen verschärft und wird durch Fluchtbewegungen aufgrund aktueller Kriege, Konflikte und Naturkatastrophen mit hoher Wahrscheinlichkeit weiter eskalieren (3).

Wohnungslosigkeit verhindern

Die politische Maxime muss es sein, Wohnungslosigkeit grundsätzlich zu verhindern. Einmal wohnungslos geworden, wird nicht nur das Menschenrecht auf Wohnen verletzt, sondern sind auch weitere Grundrechte ernsthaft bedroht: Das Recht auf Leben, auf Gesundheit, auf körperliche Unver­sehrtheit, auf Schutz vor Gewalt und die Garantie der Menschenwürde. Daraus resultierende menschenrechtliche Verstöße beschreibt das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIM) in seinem Bericht „Notunterkünfte für Wohnungslose menschenrechtskonform gestalten“ und appelliert eindringlich an Bund und Länder durch Gesetzgebung und finanzielle Mittel zuverlässige Mindeststandards für die Notunterbringung von Wohnungslosen zu setzen. Dass sich gut die Hälfte der statistisch erfassten Wohnungslosen länger als zwei Jahre in Notunterkünften aufhalten, dokumentiert die Dringlichkeit des Problems (4).

Ordnungsrechtliche Unterbringung

Bislang basiert die sogenannte „ordnungsrechtliche Unterbringung unfreiwillig obdachloser Menschen“ lediglich auf dem jeweiligen Polizei- und Ordnungsgesetz der Länder. Es geht dabei um „die Beseitigung einer akuten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“. Früher war damit wohl primär der Schutz der Gesellschaft vor Obdachlosen gemeint, heute geht es vor allem um den Schutz der Menschenrechte der von Obdachlosigkeit betroffenen selbst (5). Für letzteres ist die Gesetzeslage aber dünn, da hier noch keinerlei konkrete Standards für die Notunterbringung genannt werden und sich diese lediglich aus Einzelurteilen der Justiz ergeben. Hier verlangt das DIM zurecht menschenrechtskonforme Standards und formuliert entsprechende Empfehlungen an Bund, Länder und Kommunen. Diese Forderungen nach Mindeststandards, u.a. die Berücksichtigung spezifischer Bedarfe (z.B. aufgrund sexueller Identität, körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung, Gewalterfahrung), weitestgehende Einzelunterbringung und Privatsphäre (vor allem bei längerer Unterbringung), hygienische Standards, Erreichbarkeit von Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen unterstützen wir im Sinne einer am Wohl aller Menschen orientierten politischen Haltung vollumfänglich.

Schutz für die verletzlichsten Menschen unserer Gesellschaft

Addiert man lediglich die vorliegenden Zahlen sind in Deutschland fast 300.000 Menschen von Wohnungslosigkeit unmittelbar betroffen. Darunter viele, die zu den verletzlichsten unserer Gesellschaft zählen: Kinder, Jugendliche und Frauen, viele davon Opfer von Gewalt oder Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen. Der amtsdeutsche Begriff der „unfreiwilligen Obdachlosigkeit“ erkennt bereits an, dass die betroffenen Menschen dieses Schicksal nicht selbst gewählt haben. Wohnungslosigkeit bedeutet nicht nur eine schwerwiegende gesundheitliche und psychische Belastung, sondern auch die fast gänzliche Ausgrenzung von gesellschaftlicher Teilhabe. Der Weg zurück in ein Leben mit eigenem Wohnraum und Privatsphäre ist schwer und wird mit jedem Tag, der in einer solchen hoffnungslosen Situation verbracht wird, mühsamer. In Anbetracht steigender Mieten und explodierender Lebenshaltungskosten ist ein weiterer starker Anstieg an Betroffenen zu befürchten. Deshalb muss diese Gruppe der unter Wohnungslosigkeit leidenden und davon gefährdeten Menschen besonders in den politischen Blick genommen werden. Es kann nicht sein, dass hier die politische Aufmerksamkeit fehlt und dringend benötigte finanzielle Mittel anderweitig mit der Gießkanne verteilt werden.

Das mut Forum Wohnen fordert deshalb u.a.:

• die umgehende Umsetzung der zusammenfassenden Empfehlungen durch das „DIM“ im Hinblick auf die menschenrechtskonforme Gestaltung von Notunterkünften (6).
• „Housing First“ nach finnischem Vorbild (7 und 8).
• die sicherheitsrechtliche Einweisung von von Räumung bedrohten Mieter*innen in die eigene Wohnung durch die Kommune.
• den Ausbau von Übergangswohnen zur Vermeidung von Obdachlosigkeit.
• einen Obdachlosenrat zu gründen, in dem Betroffene und Ehrenamtliche selbstständig Maßnahmen ausarbeiten, die dann mit einem angemessenen Budget versehen eigenständig und unbürokratisch in Angriff genommen werden können.
• ein ständiges niedrigschwelliges, kommunal und mit Landes- und Bundesmitteln finanziertes medizinisches Angebot auch für Menschen ohne Krankenversicherung.
• keine Personenkontrollen durch die Polizei vor Einrichtungen wie Wärmestuben und Notunterkünften.
• neue menschenrechtskonforme Notunterkünfte vor allem in Innenstadtbereichen zu errichten und vorhandene Notunterkünfte menschenrechtskonform nachzurüsten und zu sanieren.
• selbst gewählte Camp-Stellen zu legalisieren — oder gleichwertige Alternativplätze anzubieten. Der Umzug des Camps muss organisiert und unterstützt werden.
• und natürlich die Berücksichtigung aller unserer weiteren Argumente um das Grundrecht auf Wohnen zu garantieren: https://www.partei-mut.de/forum/forum-wohnen/

(1) https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Wohnungslosigkeit/_inhalt.htm
(2) https://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/Forschungsberichte/fb-605-empirische-untersuchung-zum-wohnungslosenberichterstattungsgesetz.html
(3) https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-obdachlose-unterkuenfte-1.5461638
(4), (5), (6, Seite 37) https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/detail/notunterkuenfte-fuer-wohnungslose-menschenrechtskonform-gestalten
(7) https://www.geo.de/wissen/22923-rtkl-erstaunlicher-erfolg-warum-auf-finnlands-strassen-kaum-noch-obdachlose-leben
(8) https://www.zdf.de/nachrichten/video/panorama-oblachlosigkeit-finnland-100.html

Weitere nützliche Links:

Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. https://www.bagw.de/
www.wohnungslosenhilfe-bayern.de

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