Gendergerechte Sprache – Eine Sache des Respekts und des Anstands!

Ein Kommentar unseres Bundesvorstandsmitglieds Christin Löhner

Sprache verändert sich. Sprache hat sich immer verändert.

Noch im 19. Jahrhundert gab es keine verbindliche Rechtschreibung für den deutschsprachigen Raum. Erst im Jahre 1876 fand die 1. Orthographische Konferenz statt, auf der richtungsweisende Beschlüsse zur Reform und Vereinheitlichung der deutschen Sprache gefasst wurden. Auch damals gab es Widerstand – nicht zuletzt von Reichskanzler Otto von Bismarck himself. Doch das bereits in 1880 verfasste Wörterbuch von Konrad Duden gewöhnte die Öffentlichkeit an die neuen Schreibweisen und so konnten die 1876 verfassten Beschlüsse Gültigkeit erlangen und in Zukunft sogar darüber hinaus gehen.

Laut Duden von 1895 wurden damals viele Worte anders geschrieben, als sie heute üblich sind. So war festgelegt, dass die heutigen Worte Tal, Ton, Tor, Träne, Tun oder Tür, einschließlich ihrer jeweiligen Ableitungen mit „Th“ zu schreiben seien. Damals gab es Epheu und Westfalen hieß Westphalen. Die Stoßzähne des Elephanten bestanden aus Elphenbein und sitzen that man damals auf dem Sopha.

Schon im 19. Jahrhundert – dem Jahrhundert in dem wir dem Elefanten ein „ph“ unterjubelten – war es üblich gendergerecht zu schreiben. Damals hatte sich die Klammerung durchgesetzt. So wurde aus „Mitarbeiter“ ein „Mitarbeiter(innen)“, das allgemein und häufig Verwendung fand. Erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts änderte sich diese Schreibweise zu „Mitarbeiter/-in“.

Seit 1981 hat sich dann das Binnenmajuskel oder auch Binnen-i durchgesetzt. Seit dem schreiben wir „MitarbeiterIn“. Beim Vortragen von „MitarbeiterIn“ durfte man das Binnen-I zu einer Beidnennung auflösen, also zu “Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“ oder mit einer kurzen Sprechpause zum Ausdruck bringen: „Mitarbeiter-Innen“, was einem Glottisschlag entspricht und „Gender-Pause“ genannt wird.

Ja soweit waren wir in 1981 bereits. Das Binnen-i und der damit verbundene Glottisschlag waren freilich nie festgeschriebenes Gesetz in der Rechtschreibung, sondern freiwillig. Und doch wurde und wird es viel und oft benutzt – auch in der Amtssprache.

Es gab immer Widerstand gegen diese Vorschläge der inkludierenden, gendergerechten Sprache oder Schreibweisen. Und doch haben sie sich immer mit der Zeit so weit durchgesetzt, dass sie in Amtsschriften, Gesetzestexten oder auch in persönlicher Korrespondenz gerne benutzt wurden.

Heute stehen wir wieder vor solch einer Wandlung.

Im Englischen unterscheidet man zwischen biologischem, körperlichen Geschlecht (Sex) und dem sozialen Geschlecht, der Geschlechtsidentität (Gender). Diese Unterscheidung fehlt im Deutschen, weshalb wir uns gerne den Begriff „Gender“ ausleihen.

Es ist inzwischen wissenschaftlicher Konsens – auch wenn es Viele immer noch nicht wahrhaben wollen – dass es mehr als nur zwei Geschlechter (Gender) gibt. Man sagt, Geschlecht ist ein Spektrum, innerhalb dessen es viele Kombinationen und Abstufungen gibt.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass heute genau das passiert, was damals im 19. oder im 20. Jahrhundert bereits zu geschlechtergerechten Schreibweisen geführt hat. Damals haben sich die Frauen gemeldet, sie haben sich emanzipiert und wollten nicht mehr unsichtbar sein. Sie bestanden darauf, dem generischen Maskulinum zu entsagen und Wortkombinationen zu finden, die das weibliche Geschlecht inkludieren. Das hat man getan und gegen einigen Widerstand auch mehr oder weniger durchgesetzt.

Heute ist klar: Es gibt mehr als nur Männer und Frauen. Da gibt es Nonbinaries (Nicht binäre Menschen), also jene die sich keinem der zwei Geschlechter am jeweiligen Skalenende zuordnen wollen. Es gibt Gender fluide Menschen, also jene, die mal in das weibliche, mal in das männliche Geschlecht schlüpfen. Und noch Viele mehr.

All diese Menschen, die sich irgendwo in diesem Spektrum Geschlecht befinden, aber eben nicht eindeutig einem der Geschlechter zuzuordnen sind, fühlen sich heute unsichtbar gemacht und diskriminiert. Sie fühlen sich ignoriert und ihnen wird ihre eigene Existenz abgesprochen.

In der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969 fand in New York in den frühen Morgenstunden der sogenannte Stonewall Riot statt. Damals ging es in erster Linie um Polizeigewalt gegen Queere Menschen. Daraus sind die heutigen CSDs und Pride Veranstaltungen entstanden. Bis 1994 stand in Deutschland Homosexualität unter Strafe. Bis 2011 war es notwendig, sich kastrieren zu lassen, um die Vornamens- und Personenstandsänderung machen zu lassen. Aktuell arbeiten wir an einem Selbstbestimmungsgesetz, das allen inter* und trans* Menschen in Deutschland eine deutlich vereinfachte und vor allem diskriminierungsfreie Vornamens- und Personenstandsänderung ermöglichen soll. Freilich, am aktuellen Entwurf gibt es noch einiges zu ändern. Aber…..

Wir entwickeln uns! Sprache entwickelt sich! Und das war schon immer so.

So wie es damals eine Sache des Respekts und des Anstands war, auch Frauen zu inkludieren und die Klammerung, den Schrägstrich oder das Binnen-i einzuführen, so ist es auch heute eine Sache des Respekts und des Anstands, eben auch all die anderen Menschen zu inkludieren, die sich nicht mit „Herr“ oder „Frau“ angesprochen fühlen!

Und ganz ehrlich? Niemand bricht sich einen Zacken aus der Krone, wenn man eben statt eines Schrägstriches nun ein Sternchen oder einen Doppelpunkt verwenden soll, oder?

Zumal auch die Menschen, die damit inkludiert werden gar nicht wollen, dass es zum Pflichtfach wird! Niemand wird gezwungen! Und trotzdem gebietet es der Respekt und der Anstand der Anderen, sich daran zu halten.

Eine Hamburger Initiative will geschlechtergerechte Sprache verbieten lassen! Und Politiker*innen vornehmlich der CDU/CSU machen da fleißig mit. Auch in Baden-Württemberg sammeln Gegner*innen geschlechtergerechter Sprache Unterschriften gegen das „Gendern“. Ihr Ziel: Ein Volksbegehren, ähnlich wie in Hamburg durch den Verein Deutsche Sprache e.V. anvisiert.

Seit Anfang der Woche sammelt der Heidelberger Rechtsanwalt und CDU-Mitglied Klaus Hekking im Internet bereits Unterschriften zur Unterstützung der Initiative. Die deutsche Sprache biete „mit ihrer Vielfalt und Klarheit alle Möglichkeiten, diskriminierungsfrei zu kommunizieren“.

Nein, Herr Hekking, genau das ist eben nicht der Fall.

Nun ja, dass ein alter, weißer Mann das Patriarchat aufrecht und das generische Maskulinum erhalten will und damit kein Problem hat, dass überall nur der Mann und das männliche im Vordergrund stehen soll, verwundert nun nicht wirklich. Dass aber ein junger Politiker wie der CDU-Fraktionschef Baden-Württemberg Manuel Hagel auf den gleichen Zug aufspringt und diese Niedertracht und Ignoranz auch noch gut heißt, zeigt einmal mehr wie Queerfeindlich und weltfremd die CDU – nicht nur in Baden-Württemberg – wirklich ist.

Herr Hagel sagt dazu: „Der Inhalt des Volksbegehrens ist eins zu eins Beschlusslage der CDU-Landtagsfraktion. […] Klar finden wir den gut. […] Hier geht es auch um Wertschätzung. Die Inhalte des Begehrens unterstütze ich und teile sie. […] Wir müssen alles dafür tun, den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Land zu stärken.“.

In zwei Punkten hat Herr Hagel recht: Es geht um Wertschätzung. Es geht allerdings nicht um die Wertschätzung der Ignoranz und des Unsichtbarmachens, sondern um die Wertschätzung von Menschen, die diese Wertschätzung brauchen, in dem sie eben nicht mehr unsichtbar gemacht werden. Und ja, wir müssen den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Und genau darum geht es bei Inklusion! Nichts Anderes haben wir damit im Sinn!

Respekt und Anstand haben die meisten von uns bereits von ihren Eltern und in der Schule gelernt. Manche allerdings scheinen damals gefehlt zu haben.

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